Der Werkvertag steht aktuell durch den teils ausbeuterischen Einsatz in der Fleischindustrie stark in der Kritik. Durch die vielen Corona-Infektionen fällt der Blick auf die jahrelangen, systematischen Versäumnisse der Beteiligten und die fehlende Kontrolle geltenden Rechts durch die staatlichen Kontrollorgane.

Dabei steht heute sogar die branchenübergreifende Maximalforderung eines Verbots der Werkverträge im Raum. Unter der Annahme, dass ein solches Verbot unverhältnismäßig ist und gegen die Verfassung bzw. das EU-Recht verstößt, müssen sich Unternehmer und Entscheidungsträger folgende wichtige Fragen für den Einsatz dieser Vertragsoption stellen:
Wann bringt ein Werkvertrag meinem Unternehmen tatsächlich Nutzen? Welchen Risiken setze ich mich und mein Unternehmen aus? Wann sollte ich vom Werkvertrag Abstand nehmen oder mir fachkundige Unterstützung suchen?

Lassen Sie mich diese Fragen kurz beleuchten.

Was genau ist denn ein Werkvertrag?

Der Werkvertrag ist seit dem Jahr 1900 im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Er beschreibt ein Zusammenarbeitsmodell, in welchem der Auftraggeber dem Auftragnehmer einen abgrenzbaren, definierten Erfolg schuldet. Dafür erhält der Auftragnehmer vom Auftraggeber eine Gegenleistung – in aller Regel eine Vergütung. Das Zusammenarbeitsmodell ist also kurz gesagt: „Erfolg gegen Geld“.

Der Dienstvertrag gleicht dem, allerdings ist hier lediglich ein Bemühen, nicht ein Erfolg zu erbringen – also „Bemühen gegen Geld“. Abgesehen vom Erfolgselement, sind die Anforderungen an die Vertragserbringung gleich. Umfangreichere Vergaben sind in der Praxis meist eine Kombination beider Vertragstypen. Zur besseren Lesbarkeit verwende ich den Begriff „Werkvertrag“ hier für beide Vertragstypen zusammenfassend.

Neben dem definierten Erfolg hat der Werkvertrag weitere Merkmale: Das Gewerk entsteht in Eigenverantwortung und mit eigenem wirtschaftlichem Risiko des Auftragnehmers. Das bedeutet, dass dieser eine unabhängige Betriebsorganisation unterhalten muss, weisungsfrei vom Auftraggeber handelt und letztendlich für sein Gewerk bzw. seine Leistung verantwortlich ist. Damit grenzt er sich klar von der Arbeitnehmerüberlassung ab, bei welcher lediglich die Bereitstellung einer weisungsgebundenen „Arbeitskraft gegen Geld“ geschuldet wird.

Ich möchte nun einen kurzen Blick auf die Einsatzfelder und den Nutzen von Werkverträgen werfen.

Warum werden Werkverträge verwendet –
welchen Nutzen hat die Vergabe von Arbeitsinhalten an Dritte?

In einer arbeitsteiligen und stark wettbewerbsorientierten Wirtschaft spielt die Steigerung der Effektivität und Effizienz durch Spezialisierung eine wichtige Rolle. Neben dem reinen Kaufvertrag für ehemals selbst hergestellte Güter, ermöglicht die Fremdvergabe (oder auch Outsourcing) im Werk- oder Dienstvertrag eine solche Spezialisierung.

In erster Linie hilft der Werkvertrag bei der Konzentration auf die Kernkompetenzen des Unternehmens. Das bedeutet, dass die Ressourcen (Anlagen, Investitionen und Personal) eines Unternehmens möglichst ausschließlich auf das fokussiert werden, was das Unternehmen am besten leisten kann. Damit schafft die Organisation spezifische Fähigkeiten, Wissen und Technologien. Dies wiederum erhöht die Qualität und ggf. die Output-Menge des Unternehmens und stärkt so die eigene Wettbewerbsposition, das sogenannte Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition). Alle auslagerbaren Randaktivitäten sind nach dieser Strategie an spezialisierte Lieferanten zu vergeben. Diese Spezialisierungsvernetzung bringt für alle Beteiligten mögliche Kostenreduktionen z.B. durch Mengeneffekte, Fixkostenreduktion oder Personalkosteneinsparung mit sich. Gleichzeitig schafft die Fremdvergabe unternehmerische Flexibilität und senkt einige betriebswirtschaftliche Risiken, wie z.B. Komplexitäts-, Vertrags- und Personalrisiken. Letztlich kann sich das Unternehmen über eine Fremdvergabe spezifisches Knowhow zukaufen.

Übergeordnetes Ziel ist damit die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und die Sicherung langfristiger Wettbewerbsvorteile.

Der Erfolg dieser Strategie ist jedoch in der Praxis nicht immer vollständig gegeben oder tritt mitunter gar nicht ein.

Welche Risiken bringt eine Auslagerung mit sich – welche Gefahr geht dabei speziell vom Werkvertrag aus?

Hier möchte ich kurz auf die Risiken und Nachteile der Spezialisierungsstrategie, insbesondere mit Blick auf den Werkvertrag eingehen. Die Zusammenarbeit mit marktdominierenden Spezialisten kann gefährliche Abhängigkeiten für das beauftragende Unternehmen schaffen. Gängige Beispiele sind eine Verschlechterung der Verhandlungsposition und hohe Transaktionskosten beim Lieferantenwechsel, bzw. bei der Zurückverlagerung (Back-Sourcing) der fremdvergebenen Inhalte. Neben Qualitätsproblemen beim Lieferanten können Lieferverzögerung, Knowhow-Abfluss und hohe Kontrollkosten entstehen. Abgesehen davon kann die Auslagerung von Leistungen innerbetriebliche Widerstände etwa durch Betriebsrat und Belegschaft auslösen, welche Schäden an Kultur, Reputation und Effizienz hinterlassen.

Neben den genannten Risiken spielt der fehlerhafte Einsatz von Werkverträgen eine wesentliche Rolle. Die Vermeidung solcher Fehler ist der Kern unserer Beratungsleistung.

Erkennen Behörden oder die Staatsanwaltschaft einen Scheinwerkvertrag und dieser lässt sich nicht mehr entkräften, dann wird das vom Werkvertragsnehmer eingesetzte Personal rückwirkend für bis zu 30 Jahre beim Auftraggeber angestellt. Bestehen Lohn- und Gehaltsdifferenzen zwischen den Vertragspartnern, so sind diese, ebenso wie die unbezahlten Beträge für Sozialversicherung und Steuern, auszugleichen.

Im nächsten Zug entscheidet sich, ob der Auftraggeber davon Kenntnis hatte oder nicht. Steht der Vorsatz im Raum, so kann es zusätzlich zu Freiheitsstrafen für die verantwortlichen Entscheidungsträger kommen. Zumindest kommen jedoch Bußgelder bzw. die Abschöpfung des erlangten Gewinns zum Tragen. Damit einher gehen Reputationsverlust und Prozessstillstände durch die Ermittlung der Behörden bzw. die Umstellung der Zusammenarbeit einher.

Dadurch stehen erhebliche Schadensummen im Raum. Die Verantwortlichen müssen bei derartigen Compliance-Verstößen auch damit rechnen, dass gegen sie Schadenersatz geltend gemacht wird.

Um die Fremdvergabe erfolgreich zu nutzen und deren Risiken zu minimieren, ist daher eine genaue Analyse und Abwägung notwendig. Spricht die Gesamtschau für den Einsatz von Werkverträgen, so sind diese durch die richtige Gestaltung von Prozessen und Schnittstellen, durch eine klare Leistungsbeschreibung inklusive Vertragswerk und durch ein kluges Management in der Durchführung zu flankieren.

Auf was ist bei der Fremdvergabe besonders zu achten – was sind die Grenzen des Einsatzes von Werkverträgen

Hier hilft es, sich zu veranschaulichen, warum Politik und Gewerkschaften dem Werkvertrag kritisch gegenüberstehen. Dies sind für die prüfenden Behörden, neben den Dienstanweisungen, oft zusätzliche handlungsleitende Argumente. Besonders kritische Verdachtsmomente sind hier die Umgehung von Tarifverträgen, die Aushöhlung der betrieblichen Mitbestimmung, das Preis- und Sozialdumping, sowie die Umgehung der Rahmenbedingungen der Arbeitnehmerüberlassung, wie z.B. Equal Pay und Höchstüberlassungsdauer. Stehen beim Entwurf einer Vergabestrategie derartige Fragestellungen im Raum und sind diese argumentativ nicht unmissverständlich auszuräumen, so ist Vorsicht geboten. Im Folgenden biete ich einen kurzen Blick auf kritische Indikatoren, die den Einsatz eines Werkvertrages für die Geschäftsführung eines Unternehmens gefährlich machen:

 

  1. Das Unternehmen stellt von Arbeitnehmerüberlassung auf einen Werkvertag um. Dies geschieht zum Ablauf der tariflichen oder gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer. Dabei kommt gegebenenfalls der gleiche Lieferant oder ein Tochterunternehmen zum Zuge und die Zusammenarbeitsbedingungen ändern sich kaum.
  2. Der vom Unternehmen gewählte Auftragnehmer hat kein erkennbares Geschäftsmodell, welches sich von dem einer Zeitarbeitsfirma abhebt. Er kann weder ein besonderes Knowhow noch eine Kernkompetenz glaubhaft vorweisen. Das Auftragnehmer-Unternehmen betreibt auch kein explizites Marketing, um weitere Marktanteile zu sichern.
  3. Das Zusammenarbeitsmodell im Werkvertrag besteht bereits seit langer Zeit unter gleichen Bedingungen. Es sind bisher keinerlei Haftungsfälle und Mängelrügen gegen den Lieferanten geltend gemacht worden.
  4. Im Zuge der Auftragsvergabe tut sich die Fachabteilung des Unternehmens schwer, den Erfolg messbar zu beschreiben. Das Lastenheft ist schwammig und die Leistung kann nur durch erhebliche Steuerung bzw. durch Eingriffe eigener Mitarbeiter überhaupt erbracht werden.
  5. Das Geschäftsmodell des Unternehmens ist nur dann rentabel, wenn auf günstige Arbeitskräfte im Werkvertrag zurückgreifen werden kann.
  6. In den Fachbereichen des Unternehmens besteht eine Kultur der Kontrolle. Es ist davon auszugehen, dass dies zu intensiven Eingriffen in das Gewerk seitens der Führungskräfte und Mitarbeiter führen wird.
  7. Das beauftragte Unternehmen kann die Leistung gar nicht selbst erbringen und ist darauf angewiesen, aus Knowhow- oder Kostengründen, wiederum eine Subvergabe durchzuführen. Dieses Vorgehen lässt sich dabei nicht durch branchentypische Arbeitsgemeinschaften begründen.

Fazit zur Einsatzentscheidung von Werkverträgen

Die Fremdvergabe im Werkvertrag ist in vielen Fällen sinnvoll und mit Blick auf den globalen Wettbewerbsdruck auch überlebenswichtig. Er dient der nachhaltigen Absicherung des Unternehmens durch den optimalen Einsatz der betrieblichen Ressourcen und ist damit ein wichtiges und richtiges Werkzeug. Allerdings ist der Einsatz kritisch zu hinterfragen, da diverse Risiken bestehen, allen voran der Knowhow-Abfluss, die Abhängigkeiten und natürlich der rechtswidrige Einsatz. Die Abwägung von Chancen und Risiken muss bei komplexen Vergaben daher unbedingt erfolgen.

Die oben beschriebenen kritischen Beispiele werden von den Behörden einfach identifiziert und sind dann nicht mehr ohne gute Vorbereitung zu verteidigen. Darüber hinaus sind sie derart offensichtlich, dass dem Entscheidungsträger unterstellt werden kann, dass dieser das Risiko des Scheinwerkvertrages hätte erkennen müssen oder den Vertragstypus bewusst rechtswidrig eingesetzt hat. Daraus kann ein (bedingter) Vorsatz abgeleitet werden, der dann zur strafrechtlichen Verfolgung des Entscheidungsträgers oder zu außerordentlich hohen Bußgeldern gegen Firma und Entscheider führen wird.

In der Praxis sind Vergaben oft komplex, undurchsichtig und in ihrem Risiko nicht so einfach zu durchdringen. Daher ist eine Begleitung der Fremdvergabeentscheidung, die Gestaltung der Vertragsgrundlagen und die Umsetzungskontrolle durch fachkundige Spezialisten aus meiner Sicht dringend zu empfehlen.