Die rasche Verbreitung der Corona Pandemie wird neben den Auswirkungen für die Auftragnehmer, ebenso weitreichende Folgen für die Auftraggeber der Baubranche haben. Auch hier begründen die Schließungen zahlreicher Grenzen, flächendeckende Ausgangssperren, Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr und daraus resultierende Liquiditätsengpässe erhebliche Risiken. Diese können den erfolgreichen Abschluss des Geschäftsplans der jeweiligen Bauvorhaben maßgeblich gefährden.
Welche Risiken könnten die Auftraggeber durch die Corona Pandemie treffen?
Hinsichtlich einer solchen Pandemie-bedingten Störung des Bauablaufs, ist anzumerken, dass ein vergleichbares Szenario und dessen Folgen bis heute vermutlich nicht aufgearbeitet werden musste. Mit Blick auf vergangene Katastrophensituationen, wie z.B. der Tsunami im Jahr 2004 in Südost-Asien oder die terroristischen Anschläge auf Großbauprojekte in Algerien, war das Bestreiten der technischen, vertraglichen und rechtlichen Folgen faktisch unmöglich. Statt einer Fortsetzung der Projekte sorgten zahlreiche lokale Insolvenzen, Abschreibungen der betroffenen Unternehmen oder staatliche Eingriffe dafür, dass eine juristische Aufarbeitung dieser Szenarien hinfällig wurde.
Mit Blick auf die Auswirkungen der akuten Corona Pandemie ist hingegen „nur“ von erheblichen Einschränkungen und einer zeitlich verzögerten Fortsetzung der Bauvorhaben auszugehen. Folglich sind dabei aufkommende Fragen in der Claim- bzw. Rechtpraxis bis heute weitestgehend ungeklärt. Dieser Artikel beleuchtet die relevanten Risiken der Corona Pandemie und praxistaugliche Handlungsempfehlungen zur Risikosteuerung und -minimierung für die Auftraggeber der Baubranche.
Was gilt für die Auftraggeber, sofern keine vertraglichen Vereinbarungen getroffen wurden? (BGB,VOB)
1. Einhaltung der Mitwirkungspflichten
Der Bauherr hat als Auftraggeber die gesetzlich vorgeschriebenen Mitwirkungspflichten bei seinen Bauvorhaben einzuhalten. So hat er unter anderem das Baugrundstück ausführungsreif zur Verfügung zu stellen, den zugesicherten Zugang zu Lagerflächen zu verschaffen und alle von ihm abhängigen öffentlich-rechtliche Genehmigungen herbeizuführen.
Anders als bei den verschuldensabhängigen Schadensersatzansprüchen gegen die Auftragnehmer z. B. durch Verzögerungen im Bauablauf, kann das unverschuldet Unterlassen dieser Mitwirkungspflichten Schadensersatzansprüche gegen den Auftraggeber begründen.
Als Ausnahme werden nicht beherrschbare Einflüsse im Sinne höherer Gewalt, wie z. B. außergewöhnliche Witterungseinflüsse und daraus resultierende Verzögerungen im Bauablauf, anerkannt. Entsprechend dieses Grundsatzes ist davon auszugehen, dass die verspätete Bereitstellung des Baugrundstücks wegen möglicher Auswirkungen der Corona Pandemie keine Schadensersatzansprüche begründen können.
2. Kündigung wegen Liquiditätsengpässen
Die Nachwirkungen der Coronavirus Pandemie könnten gerade für industrielle Auftraggeber verheerende Folgen haben. Denn Stillstände der Produktion, Ausfälle in den Lieferketten und Komplikationen in der Wertschöpfungskette, können zu risikoreichen Liquiditätsengpässen führen. Um die Erreichung der Planzahlen bestmöglich einzuhalten, könnten betroffene Auftraggeber anstehende Bauprojekte einfrieren und sich mit vorhandenen Ressourcen auf Ihre Kernkompetenzen fokussieren. Sofern vertraglich nicht anders vereinbar, ist eine solche Kündigung wegen einer nun entstehenden Geldnot nicht zulässig. Dies gilt sogar, wenn diese Geldnot durch ein Ereignis höherer Gewalt (Corona Pandemie) hervorgerufen wurde.
Sofern im Vertrag keine anderweitigen Regelungen festgehalten wurden, bieten die gesetzlichen Vorschriften im BGB und der VOB/B stets ein außerordentliches Kündigungsrecht. Hierbei müssen die Umstände des Einzelfalls und die Abwägung aller Interessen berücksichtigt werden. In einem solchen Fall besteht also das Risiko, dass die Gerichte eine außerordentliche Kündigung in eine freie Kündigung umdeuten. In einem solchen Fall können die betroffenen Parteien eine Kompensation der daraus resultierenden Schäden verlangen und so die Kosten für Auftraggeber in die Höhe treiben.
3. Höhere Gewalt (Force Majeure)
Wie bereits in der Abhandlung für die Auftragnehmer der Baubranche beschrieben, können auch diese vorstehenden Grundsätze voraussichtlich auf eine Vielzahl von Konstellationen auf Baustellen übertragen werden. So dürfte auch das Ausbleiben von öffentlich-rechtlichen Genehmigungen wegen einer Corona-bedingten Schließungen der Ämter als höhere Gewalt eingestuft werden. Wohingegen das Fehlen dieser Genehmigungen, aufgrund einer verspäteten Anfrage bei den zuständigen Stellen, Schadensersatzansprüche der Auftragnehmer begründen könnten.
Unsere kurz- und mittelfristige Handlungsempfehlung zu Zeiten der Corona Pandemie
Viele Parteien der Baubranche haben aktuell keine detaillierten vertraglichen Regelungen für den Eintritt von Ereignissen höherer Gewalt getroffen. Folglich können die obenstehenden gesetzlichen Grundlagen die Existenzen der betroffenen Vertragsparteien gefährden. Für anstehende Projekte empfiehlt sich die Durchführung einer umfassenden Claim- und Risikoanalyse und die anschließende Absicherung durch einvernehmliche Regelungen in den Verträgen. So sind die Verantwortungen der jeweiligen Situation klar geregelt und das Risiko eines Stillstandes kann minimiert werden.
Ohne entsprechende vertragliche Regelungen besteht für die Auftraggeber jetzt verstärkt die Gefahr, dass ungerechtfertigte Nachträge oder Claims von den Auftragnehmern gestellt werden, um das jeweilige „Überleben“ abzusichern. Daher empfehlen wir gerade jetzt die verstärkte Durchführung von professioneller Nachtrags- und Claim Prüfung.
Um den erfolgreichen und fairen Abschluss der Bauvorhaben trotz der aktuellen Situation sicherzustellen, raten wir unseren Kunden zudem drohende Risiken schnellstmöglich zu identifizieren und die notwendige Transparenz gegenüber allen Beteiligten zu wahren.
Gleichzeitig sind sich unsere Experten einig, dass eine revisionssichere Dokumentation gerade in solch außergewöhnlichen Zeiten unerlässlich ist. Statt auf Claims- und Nachträge zu warten und womöglich festzustellen, dass die notwendige Dokumentation nicht einschlägig, unzureichend oder nicht existent ist, sollten Sie schnellstmöglich mit einer aktiven Dokumentationsstrategie beginnen. Denn auch wenn faires und professionelles Nachtragsmanagement verfolgt wird, sollte eine drohende Eskalation bestmöglich vorbereitet und die eigene Argumentation nachweislich gestützt werden können.